Programm

 

Angelehnt  an  Shakespeares „EIN  SOMMERNACHTSTRAUM“ - der englische Altmeister in Sachen Drama wird's verkraften - präsentiert die Gruppe ACTORES des Ohm-Gymnasiums die Neuauflage ihres bereits im  letzten  Sommer aufgeführten Science Fiction Spektakels

       UTOPIA

oder:                                         ROCKI HORRIBILE SPECTACULUM

oder:                                                                  PYRAMUS ET THISBE

3 Aufführungen im THEATER IN DER GARAGE: 18., 19., 20. Januar 1982

                                                                         DRAMATIS PERSONAE:

OBERON (DOMINUS UTOPIAE) ………………………………..…......................................  Peter Müller

TITANIA (DOMINA UTOPIAE) …………………………………......................................….. Anja Schaufuß

PUCKA (MACHINA UTOPIAE) ...............................................................................................  Wolfram Janner

ANTONIA (DUX DISCIPULORUM) .……..............................................................................  Antje Maier

ROCKUS (DISCIPULUS/PYRAMUS) …………………………........................................…  Matthias Klein

LUCIUS (DISCIPULUS/THISBE) ……………………………......................................……..  SteffenWild

MARCELLUS (DISCIPULUS/MURUS) ……………............…….………...............  Michael Städtler

IULIA (DISCIPULA/LEO) …………………………………….…......................................…  Johanna Lohneis

SABINA (DISCIPULA/LUNA) …………………………….……......................................…..  Sabine Burkhard

CLAUDIA (DISCIPULA/PROLOGUS) ……………………….…..........................................  Tanja Krause

FRANGONIUS (DISCIPULUS/SEPULCRUM) ………………….........................................  Helmut Pratsch

                                                 ******************************************************
CURATORES LUCIS (“BELEUCHTUNG”) ………………..........................................
Thomas Prietz/Roland Spengler

SONITUS UTOPIAE (“SOUNDTRACK”) ………………………...........................…  Helmut Stauder

INSTRUMENTA NAVIS SPATIALIS (“COCKPIT”) …………...........................…..  Jan-Peter Hanstein

NAVIS SPATIALIS, TABULAE PICTAE ………………………............................….  Günter Conrad

TEXTUM SUFFLAT (“SOUFFLEUSE”) ……………………….............................….  Sabine Friedrich

UTOPIA SYMBOL ........................................................................................................  Peter Müller

CASSA ............................................................................................................................  Bettina Stein

PRAETEREA:
Silvia Hinz, Sonja Gebauer, Ulla Macht, Silvia Finnemann, Katrin Schubert, Ute Pfister,
 Cornelia Graeser, Birgit Rathsmann, Jutta Klawuhn, Helmut Pratsch, Steffen Wild, Rainer Schulz, Torsten Sturm, Jochen Stamm, Alexander Rothschild

 

INHALT:

SZENE I: OBERON, TITANIA und PUCKA starten mit ihrem Raumschiff INSTRUMENTUM TERTIUM (navis spatalis) und der Landefähre (Utopicum Vehiculum Orbitale = U V O) von UTOPIA in Richtung Erde (= terra, bzw. stella errans = irrender (!) Stern, also Planet).

SZENE II: Diese Szene spielt im Cockpit des Raumschiffs während der Reise durch das Universum infinitum mit Überlichtgeschwindigkeit (=motu(s) celerior(e) quam lux). OBERON nennt den Grund der Unternehmung: Er will herausfinden, ob auf der Erde wirklich, wie von seinem utopischen Sprachmesser (linguametrum) angezeigt, die LINGUA UTOPICA gesprochen wird. Diese utopische Sprache heißt allerdings auf der Erde LINGUA LATINA. TITANIA kann nicht glauben, dass eine derart schwierige Sprache von den Erdbewohnern (= animalia terrestria, bzw. homines) gesprochen werden kann und bekräftigt dies mit einer für den weiteren Verlauf der Geschichte sehr wichtigen Äußerung: Malo asinum amare quam putare animalia terrestria lingua utopica uti. (= Ich will lieber einen Esel lieben als glauben, dass die irdischen Lebewesen die utopische Sprache benutzen.) Im weiteren Verlauf der Szene stellt sich heraus, dass TITANIAS Verhältnis zu PUCKA gespannt ist, wie sich auch noch am Anfang von Szene IV zeigen wird. PUCKA, eine machina utopica computans, steckt voller Informationen über die Erde. Diese sehr ins Detail gehenden Daten interessieren TITANIA aber nicht im geringsten. PUCKA schweigt beleidigt und kann von OBERON nur durch gutes Zureden - und nachdem sich TITANIA entschuldigt hat - dazu gebracht werden, seine Computertätigkeit wieder aufzunehmen. OBERON beruhigt sodann TITANIA, die befürchtet, auf der terra incognita umzukommen. Die Erde und UTOPIA seien, so sagt OBERON, eigentlich recht ähnlich, denn auch die Erde sei – ebenso wie UTOPIA - mit Luft umgeben (aere circumdata). Allerdings bestünde doch ein entscheidender Unterschied: „TERRA EST PRAETERITA, UTOPIA EST FUTURA“. Schließlich bekräftigt OBERON nochmals seine feste Überzeugung, dass auf der Erde die LINGUA UTOPICA = LINGUA LATINA gesprochen werde, was er mit dem auf wundersame Weise in seinen Besitz gelangten Lateinbuch „INSTRUMENTUM TERTIUM“ untermauert. TITANIA ist jedoch nach wie vor davon überzeugt, dass die LINGUA UTOPICA für die Erdbewohner zu schwer sei und wiederholt nochmals ihre Äußerung, dass sie lieber einen Esel lieben wolle, als so etwas zu glauben.


SZENE III
:
Die Schüler eines GYMNASIUM PRAECLARISSIMUM, die im letzten Jahr mit ihrem Stück „AULUS RAPAX“ großen Erfolg hatten, wollen wieder Theater spielen. Nach längerem Hin und Her nehmen sie den Vorschlag ihrer Anführerin ANTONIA an, die Tragikomödie „PYRAMUS ET THISBE“ aufzuführen. Die einzelnen Rollen werden wie folgt verteilt: ROCKUS, der am liebsten alle Rollen selbst spielen möchte, erhält mit PYRAMUS (=amator) die Hauptrolle. LUCIUS spielt THISBE (=puella pulcherrima), MARCELLUS spielt MURUS (= Mauer/Wand), IULIA spielt LEO (=Löwe), da sie ein sehr schlechtes Gedächtnis hat und sie in dieser Rolle nur zu brüllen (=mugire et rugire) braucht - und zwar ex tempore. SABINA schließlich spielt LUNA (=Mond). Alles scheint aufs Beste geregelt, da meldet sich FRANGONIUS zu Wort: Momendum, momendum! Non hapeo bardem! Es herrscht betretenes Schweigen. ANTONIA weiß keinen Rat, denn tabula rasa est. Da hat FRANGONIUS selbst den rettenden Einfall: Ecko ackam bardem sebulgri Nini ed dacepo ud sebulgrum." (= Ich werde die Rolle des Grabs von Ninus spielen und ich werde wie ein Grab schweigen.) Alle sind erleichtert und treten mit dem Versprechen ab, bis zum nächsten Mal ihre Texte zu lernen.

 

SZENE IV: OBERON, TITANIA und PUCKA landen auf der Erde. Der genaue Landepunkt wird von PUCKA exakt bestimmt: Sumus, ut praedixi, in Europa, in Germania, in Bavaria, in Franconia, in oppido progressivo Erlangensi, in THEATRO GARAGICO, quae est camera obscura alternativa scandalo sacci plastici verbis obscoenis inscripti infamis. OBERON hält nun Ausschau nach den Latein sprechenden Erdbewohnern, sieht sich aber enttäuscht: Das linguametrum zeigt nichts an. TITANIA sieht ihre Zweifel bestätigt und nennt OBERON einen Esel (asinus), da er eine so lange Reise umsonst unternommen habe. Dann legt sie sich am Bühnenrand schlafen. OBERON ist äußerst verunsichert und bittet PUCKA, es noch einmal mit dem Sprachmesser zu versuchen. Und in der Tat, das linguametrum schlägt aus. Allerdings stellt sich heraus, dass es sich bei der vom Sprachmesser angezeigten Sprache um eine gewisse LINGUA GERMANICA - also höchstwahrscheinlich eine LINGUA BARBARA - handelt. Trotzdem möchte OBERON diese Sprache hören und es ertönt sogleich auch eine Kostprobe in dieser wahrlich seltsamen „Sprache“. Wenig später schlägt das linguametrum wieder aus und dieses Mal handelt es sich wirklich um die LINGUA UTOPICA = LINGUA LATINA, denn die Schüler von SZENE III versammeln sich hinter der Bühne zu ihrer ersten Probe für ihr Stück „PYRAMUS ET THISBE“.. OBERON beschließt nun, der aufmüpfigen TITANIA eine Lektion zu erteilen (exemplum statuere) und träufelt der Schlafenden einen Wundertrank (potio magica) in die Augen, der bewirkt, dass sie das erste Wesen, das sie erblickt, lieben muss. PUCKA verwandelt sodann mit seiner Laserpistole (fulmen electro-nicum) ROCKUS, den vorlautesten der Schüler, in einen Esel. Als die anderen Schüler ihren derart verwandelten Kameraden sehen (Rocke, trans-formatus es!), fliehen sie entsetzt. Vom allgemeinen Lärm wach geworden, schlägt TITANIA die Augen auf und erblickt prompt ROCKUS und verliebt sich unsterblich in den „Esel“. Es folgt nun eine Tändelei zwischen den beiden ungleichen Partnern, die vom reuigen OBERON mit einem satis est satis! beendet wird. TITANIA flüchtet sich zu OBERON, der von PUCKA zurückverwandelte ROCKUS ruft nach seinen Kameraden, die auch bald erscheinen. Die Tragikomödie „PYRAMUS ET THISBE“ kann beginnen. Die Tragikomödie selbst hält sich eng an das Vorbild Shakespeares. Zwei Liebende, PYRAMUS (=ROCKUS) und THISBE (=LUCIUS), wohnen im gleichen Haus, können aber nicht zueinander finden, da sie durch eine Wand (=MURUS) getrennt werden. Sie können sich nur durch einen engen Spalt (rima) unterhalten. Die beiden beschließen, sich bei Mondschein (= LUNA) am Grab des Ninus (= FRANGONIUS) zu einem Rendezvous zu treffen. Doch das Stelldichein endet tragisch, denn eine Löwe (= LEO) treibt in dieser Gegend sein Unwesen. Dieser Löwe verjagt THISBE, die sich als erste zum Rendezvousplatz (sepulcrum Nini) begeben hatte. Auf ihrer Flucht verliert THISBE ihren Umhang (=amiculum), der vom Löwen zerfetzt wird. PYRAMUS, der sich etwas später einstellt, findet nun den zerfetzten Umhang und nimmt an, seine geliebte THISBE sei vom Löwen zerrissen worden. Kurz entschlossen nimmt er sich - natürlich untröstlich - das Leben, indem er sich mit einem plötzlich aufgetauchten Schwert ersticht. THISBE, die noch einmal zurückkehrt, sieht den „toten“ PYRAMUS und ersticht sich ebenso (mit dem gleichem Schwert, das ihr der sich plötzlich aufrichtende PYRAMUS reicht.) Mit diesem Shakespeare-treuen Doppelselbstmord (vergleiche auch ROMEO und JULIA) endet das Spiel der Schüler/innen. ANTONIA zitiert abschließend OVID: „UT DESINT VIRES, TAMEN EST LAUDANDA VOLUNTAS!“ ( = „Wenn auch die Kräfte fehlen, so ist dennoch der Wille zu loben ~ ... muss man dennoch den guten Willen anerkennen“.)

 

SZENE V: OBERON möchte nun wissen, was TITANIA von der Erde hält: Summa  summarum, quid sentis de terra? TITANIA antwortet, dass sie die Erde in der Tat für einen stella errans halte. (Wortspiel: Planet bzw. irrender Stern). Auch das bekannte Motto „ERRARE HUMANUM EST“ beschreibe die Situation auf der Erde sehr treffend. TITANIA erwähnt sodann noch einige weitere Punkte, die ihr an der Erde kritikwürdig erscheinen: die Schule (schola), und ganz besonders die Arbeit (labor), all dies gäbe es in UTOPIA nicht. PUCKA weiß auf Befragung Unglaubliches zu berichten: Die Menschen be­suchen mindestens 9 Jahre lang die Schule. Ja es gibt sogar Leute, die besuchen die Schule 13 Jahre lang. Und damit nicht genug! Manche Menschen besuchen auch die Schule der Nation (schola nationis, quae „BARRAS“ nominatur). Und schließlich gibt es Leute, die verlassen die Schule überhaupt nicht. Daraus schließt TITANIA, dass diese homines miri ent­weder sapientissimi (=sehr gescheit) oder stultissimi (=sehr dumm) sein müssen. Ja, und wie heißen diese seltsamen Menschen? Magistri vel magistrae nominantur! Schließlich möchte TITANIA von PUCKA wissen, was die so­genannten homines sapientes machen, wenn sie NICHT zur Schule gehen und wenn sie NICHT arbeiten. PUCKA: Vesperi congregant domi imagines moventes loquentesque spectandi causa. (=Abends versammeln sie sich zu Hause, um sich bewegende und sprechende Bilder anzuschauen.) PUCKA erklärt, dass es zwei Arten (duo modi) dieses „TELEVISIO“ genannten Phänomens gibt: TELEVISIO COMMERCIALIS und TELEVISIO CRIMINALIS. OBERON und TITANIA wollen sich diese im höchsten Grade verwunderliche Freizeitbeschäftigung der Menschen nicht entgehen lassen und sehen sich zuerst eine Kostprobe der „TELEVISIO COMMERCIALIS“ an. Es folgen - nach der Fernsehansage und den „HOMUNCULI MOGUNTIACI“ (Mainzelmännchen ) -5 Werbespots: 1) „Sauforgie“, 2) „Fressgelage“, 3) „Autoreklame“, 4) „Zeitungsunwesen“und 5) „Waschmittelreklame“. OBERON ist ob des gebotenen Werbeschwachsinns erschüttert, aber TITANIA möchte sich noch die „TELEVISIO CRIMINALIS“ anschauen und entscheidet sich für „DALLI DALLI DALLAS“, das von PUCKA folgendermaßen definiert wird: Est mixtura quaedam Berolina-Texana-brutalis-semi-comica. Was die Utopianer in dieser Sendung von einem gewissen „ROSAEVALLIS“ geboten bekommen,  bestärkt sie nur noch in ihrem schon längst gefassten Beschluss, wieder nach UTOPIAzurückzukehren. Angesichts des „DALLI DALLI DALLAS“ Unsinns kann OBERON nur noch ausrufen: O sancta simplicitas! Mundus plane vult decipi! (= O heilige Einfalt! Die Welt will ganz offensichtlich getäuscht werden.) TITANIA bekräftigt ihre Rückkehrabsicht mit „PER ASPERA AD ASTRA!“ und PUCKA bestätigt, dass das Raumschiff startklar sei. Die Utopianer verschwinden nach hinten, die Musik aus Stanley Kubricks Film Odyssey 2000  erklingt erst leise und braust dann auf. Ein letztes Mal erscheint die Erde.

 SIC TRANSIT GLORIA MUNDI